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Zusammenhang von Schlafstörungen und Hirngesundheit

Warum Schlaf fachübergreifend wichtig ist

In der gemeinsamen Session der EAN (European Academy of Neurology) und EPA (European Psychiatric Association) auf dem EPA-Kongress 2024 in Budapest ging es um die Zusammenhänge zwischen gesundem Schlaf und Hirngesundheit. Prof. Dr. med. Claudio Bassetti, Inselspital Bern, Initiator und Vertreter der Schweizer «Brain Health Mission», erklärte die fachübergreifende Relevanz von Hirnerkrankungen im Zusammenhang mit Schlafstörungen für die neurologische und psychiatrische Disziplin.

Keypoints

  • Schlaf beeinflusst die Hirngesundheit und die mentale Gesundheit («brain/mental health»).

  • Schlafstörungen sind mit verschiedenen Hirnerkrankungen assoziiert, die in das neurologische und psychiatrische Spektrum fallen, darunter kognitive Beeinträchtigungen und Alzheimerkrankheit, Morbus Parkinson und Schlaganfall.

  • Fachübergreifend sollte die Krankheitslast durch Schlafstörungen einbezogen und in die Facharztausbildung integriert werden.

Schlaf ist neben Ernährung, Bewegung und sozialer Verbundenheit ein essenzieller gesundheitlicher Faktor. Schlafstörungen werden mit Krebserkrankungen, metabolischen und kardiovaskulären Erkrankungen und auch mit Erkrankungen des Gehirns, wie Depression, Alzheimer, Morbus Parkinson, Demenz und Schlaganfall, in Verbindung gebracht.1

Mangelnder «brain wash»

Während des Schlafens werde das Gehirn von Ablagerungen gereinigt, erklärte Bassetti. Er bezeichnete diesen Vorgang als «brain wash». Durch eine Vergrösserung des neuronalen Zwischenraums während des Schlafens wird die Zufuhr von interstitiellen Flüssigkeiten in das Gehirn erleichtert. Es wird angenommen, dass dabei neurotoxische Ablagerungen, wie Amyloid-β und Tau-Proteine, die in Verbindung mit der Alzheimerkrankheit stehen, durch das glymphatische System abtransportiert werden. Ist der Schlaf vermindert, fragmentiert oder der zirkadiane Rhythmus gestört, erhöht dies die neuronale Aktivität, wodurch vermehrt Abfallstoffe abgelagert werden und gleichzeitig weniger Ablagerungen abtransportiert werden.1

So konnte in einer Studie gezeigt werden, dass ein gestörter Schlaf das lösliche Amyloid-β erhöht, was auf einen Zusammenhang zwischen Schlafstörungen und einem erhöhten Risiko für die Alzheimerkrankheit hindeutet.2 In dieser Studie wurden den Probanden seriell Liquorproben mittels Lumbalkatheter entnommen und die Amyloid-β-Kinetik wurde gemessen. Die Personen schliefen entweder normal oder es wurde ein Schlafentzug herbeigeführt. Bei Personen mit Schlafentzug waren die Amyloid-β-Spiegel um 25% bis 30% erhöht. Die Autor:innen vermuten, dass das Alzheimerrisiko durch den gestörten Schlaf erhöht sein könnte. Neuere Studien deuten ebenfalls auf einen Zusammenhang und den zugrunde liegenden Mechanismus hin.1

Schlaganfallrisiko bei Schlafstörungen erhöht

Bassetti stellte Daten der US-amerikanischen Centers for Disease Control and Prevention vor, die in einer Übersichtsarbeit zu den klinischen Folgen einer kurzen Schlafdauer (<7h) in den USA zusammengefasst sind.3 Lokal-regionale «heat maps» der USA zeigten einen Überlapp von Regionen mit höchster Prävalenz von Schlafmangel und schlechter Hirngesundheit und dem Auftreten von mehreren Schlaganfällen. Die Prävalenz von weniger als sieben Stunden Schlaf stieg dabei in der vergangenen Dekade deutlich von 29,2% im Jahr 2012 auf 33,4% im Jahr 2020 an (Anstieg um 4,2%), während andere gesundheitliche Faktoren wie «Komasaufen» (1,4%), der aktuelle Raucherstatus (0,1%) und körperliche Inaktivität (ca. 1,5%) nur leicht zunahmen. Diese Daten deuten darauf hin, dass unzureichender Schlaf, insbesondere Schlaf <7 Stunden, mit mehreren nachteiligen klinischen Folgen korreliert.3

Bassetti verwies zudem auf eine aktuelle Analyse von über 500000 Patientendaten der UK Biobank, in welcher ein erhöhtes Risiko für Schlaganfall bei Personen mit Insomnie, Kurzschlaf und Dösen untertags festgestellt wurde. Querschnittsanalysen ergaben Zusammenhänge zwischen Kurzschlaf, Schnarchen und MRT-Markern für eine «small vessel disease» (SVD, alle p<0,001).4 Fast alle Schlafmessungen, ausser Insomnie, waren auch mit einem Demenzrisiko verbunden (alle p<0,001). Mithilfe der Mendel’schen Randomisierung konnten die Forschenden einen kausalen Zusammenhang zwischen genetisch bedingter Insomnie und einem erhöhten Schlaganfallrisiko zeigen (Odds-Ratio: 1,31; 95%-KI: 1,13–1,51, p=0,00072), jedoch nicht für Demenz oder Marker für SVD. Der Effekt wurde jedoch durch die Kontrolle der kardiovaskulären Risikofaktoren abgeschwächt, weshalb die Autor:innen bei einer veränderten Behandlung von Schlafstörungen im Rahmen einer Demenz zu einer kritischen Prüfung raten.

Schlafapnoe und Demenz

Eine weitere Metaanalyse mit systematischem Review, die Bassetti vorstellte, bewertete elf Studien mit insgesamt 1333424 Patient:innen hinsichtlich eines Zusammenhangs zwischen einer Schlafapnoe und dem Risiko für eine spezifische Demenzätiologie.5 Die Analyse zeigte, dass Patient:innen mit Schlafapnoe ein erhöhtes Risiko hatten, an einer beliebigen Form einer neurokognitiven Störung, an Alzheimer oder an Parkinson zu erkranken. Für vaskuläre Demenz wurde kein statistisch signifikanter Zusammenhang festgestellt. Eine der ausgewerteten Studien berichtete über ein zweifach erhöhtes Risiko für Lewy-Körperchen-Demenz. Die Autor:innen schlussfolgern, dass Schlafapnoe mit einem deutlich erhöhten Demenzrisiko in Verbindung steht, insbesondere mit der Alzheimer- und der Parkinsonkrankheit, nicht aber mit vaskulärer Demenz.

Krankheitslast durch Schlafstörungen einbeziehen

Die Schlafgesundheit beeinflusst die mentale und die Hirngesundheit und Schlafstörungen sind mit neurologischen und psychiatrischen Folgen für die Hirngesundheit assoziiert, schlussfolgerte Bassetti. Er selbst arbeite seit mehr als einer Dekade am Brückenbau zwischen den Fachdisziplinen und strebe eine gemeinsame Arbeit der Fachbereiche zu dem Einfluss von Schlafstörungen an. «Wir müssen mehr über Schlaf sprechen und ihn in die Analyse der Krankheitslast miteinbeziehen», so Bassetti. Zudem sollte Medizinstudierenden ein neuropsychiatrisches Schlaf-Curriculum angeboten werden, für die Pflege der Patient:innen seien neuropsychiatrische Kooperationen wichtig; auf Forschungsebene gelte es, die Krankheitslast durch Schlafstörungen weiter zu erforschen.

32nd European Congress of Psychiatry, 6.–9. April 2024, Budapest, Ungarn

1 Vorster APA et al.: Clin Transl Neurosci 2024; 8(1): 8 2 Lucey BP et al.: Ann Neurol 2018; 83(1): 197-204 3 Lim DC et al.: Lancet Public Health 2023; 8: e820-6 4 Guo C et al.: Neurology 2024; 102: e209141 5 Guay-Gagnon M et al.: J Sleep Res 2022; 31(5): e13589

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